Hannover, 25. Oktober 2017

Stellungnahme/Leserbrief zu Ihrem Artikel „Die Kirche im Dorf“ vom 25. Oktober 2017

In Ihrem Artikel (online: „Darum dürfen Kita-Kinder die Kirche nicht besuchen“) wird einmal mehr das seit Jahren andauernde Dilemma deutlich: Die einseitige Argumentation zu Gunsten einer Religionsgemeinschaft. Sicher gehört aus historischer Sicht das Christentum zur europäischen und somit zur deutschen Kultur wie die berühmte Kirche im Dorf.

Doch spiegelt die Kirche im Dorf schon lange nicht mehr die gesellschaftliche Realität unserer pluralistischen Gesellschaft wieder. Dabei dominiert leider immer noch die recht bornierte Einstellung, dass das Christentum Teil des allgemeinen Bildungsauftrages ist und „ein bisschen Kirche doch niemanden schaden kann“. Doch – wenn man es nicht will!

Die Kirche hat noch immer einen Missionsauftrag. Das dieser dann über ein harmloses „Kennenlernen der Kirche mit Kerzen anzünden“ kommuniziert wird, ist umso subtiler. Wenn es denn einen Bildungsauftrag gibt, dann den, über alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften gleichermaßen zu informieren und den Kindern die Vielfalt aufzuzeigen. Man würde ja auch nicht auf die Idee kommen einseitig für eine Partei Werbung in der KiTa zu machen.

Das ist nicht das gleiche? Doch!

Denn schließlich – und das wird oft vergessen – stehen letztlich die Religionen wie alle Interessenverbände in einem Wettbewerb.

Und auch auf dem Dorf ist dieses als belanglos heruntergespielte „man solle sich nicht so anstellen“ nicht mehr akzeptabel. Viele junge aufgeklärte Familien wohnen mittlerweile dort und haben sich bewusst für ein Leben ohne religiöse Bezüge entschieden. Hier haben vor allem die öffentlichen Kommunen als Träger ein Neutralitätsgebot einzuhalten. Deswegen melden die Eltern ihre Kinder ja schließlich nicht bei einer kirchlichen Einrichtung an. Wir sind selbst Träger von Humanistischen Krippen und erleben in alltäglichen Gesprächen mit Eltern, die Enttäuschungen, wenn aus öffentlichen Einrichtungen heraus für „Krippengottesdienste“ geworben wird.

Dieses Thema zieht sich übrigens durch bis zur Einschulung, wo von Schuldirektoren und Pastoren gemeinsam so getan wird, als sei der Einschulungsgottesdienst ein Pflichtbestandteil der Einschulung.

Neben den Christen stellen – wie Sie richtig dargestellt haben – die Konfessionslosen mittlerweile den größten Bevölkerungsanteil dar. Warum bringt man diesen Menschen also nicht mindestens so viel Respekt und Ernsthaftigkeit in ihrer weltanschaulichen Ausübung entgegen wie Angehörigen von anderen Religionsgemeinschaften?

Jürgen Steinecke

Landesgeschäftsführer des Humanistischen Verbandes Niedersachsen
Körperschaft des öffentlichen Rechts

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